Die Maus gegen den Elefanten; Kampagnenarbeit gegen Waffenhandel

FriedensForum Mai 2010

Kampagnenarbeit gegen Waffenhandel ist in der Öffentlichkeit leicht zu vermitteln, denn die Idee, dass man aus Krieg Profit zieht, ist nicht akzeptabel. Es ist jedoch wichtig, im Kopf zu behalten, dass das Problem bei der Beschränkung des Waffenhandels nicht nur ist, dass es sich um ein lohnendes Geschäft handelt. Auf der Ebene der Politik ist Waffenhandel kein ökonomisches, sondern ein militärisches und außenpolitisches Anliegen. Dies wird durch die Tatsache deutlich, dass die Rüstungsindustrie nicht den Regeln des freien Marktes der Welthandelsorganisation WTO und der EU unterliegt. Es ist ein Wirtschaftszweig mit großer strategischer und militärischer Bedeutung. Es geht nicht nur um Geld für Geschäftsleute, sondern auch um Machtpositionen für Länder in der internationalen militärischen Hackordnung. Das macht es noch schwieriger, Rüstungsexporte anzugehen. Aber Protest kann erfolgreich sein. Ohne die Illusion zu haben, dass man dem Multimilliardengeschäft ein schnelles Ende bereiten könnte, decken FriedensaktivistInnen die schlechten Seiten des Waffenhandels auf und beschränken die Handelsfreiheit so weit wie möglich.

Unruhe auf der Messe

Waffenmessen sind ein offensichtliches Ziel. Ihre wahre Natur wird oft unter Namen wie “Konferenz” oder “Ausstellung” versteckt. So verkauft die “International Training and Education Conference” ITEC zum Beispiel Ausrüstung für militärische Simulationsspiele und Waffen wie Hell Fire Raketen und F16 Kampfjets. Proteste begleiteten sie durch die Schweiz, Belgien und die Niederlande. Wie in den meisten erfolgreichen Kampagnen bestand die Wirksamkeit diese Kampagne aus der Kombination von Straßenaktionen (Die-Ins, Mahnwachen), Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit. So wurde zum Beispiel erreicht, dass der Stadrat von Den Haag keinen Empfang für die Waffenhändler ausrichtete. Als ITEC 2005 nach Amsterdam kam, erklärte der damalige Bürgermeister – der derzeit als Premierminister kandidiert – dass ITEC “unerwünscht sei und im Widerspruch zu der Politik der Stadt gegen Aggression und Gewalt” stünde. In Brüssel schaffte es eine Gruppe von Aktivisten, die Messe unentdeckt zu betreten und stellte Filme für YouTube her. ITEC beschloss, nicht noch einmal in diese Städte zu gehen.

Die Britische Kamapgne gegen Waffenhandel entschied, Organisatoren von Waffenmessen anzugehen und begann eine Kampagne gegen den Verleger Reed Elsevier, der europäische Messen wie die DSEi organisierte. Reeds Position als die Nummer 1 der Verleger für medizinische und andere wissenschaftliche Zeitschriften erlaubt es, eine Verbindung zur medizinischen und akademischen Welt herzustellen und Unterstützung von Ärzten, Schriftstellern und Wissenschaftlern zu bekommen. Schließlich fühlte sich Reed Elsevier gezwungen, seine Abteilung für Waffenmessen abzustoßen.

Folge dem Geld

Wenn ein Protest mit einem Konsumartikel verbunden werden kann, wie es in dem Fall von Reed Elsevier möglich war, dann ist es wahrscheinlicher, dass man den Protest über die “normalen” Kreise der Friedensbewegung hinaus ausweiten kann. Auf die Annahme gestützt, dass das Geld von Konsumenten eine Quelle von Macht ist, haben Kampagnen, bei denen es darum geht, dass Investitionen in bestimmte Güter beendet werden, in den letzten Jahren an Popularität gewonnen. Banken werden aufgefordert, ihr Portfolio zu”demilitarisieren”, indem Kunden von der Möglichkeit Gebrauch machen, ihre Bank zu wechseln. In manchen Ländern wie Norwegen oder den Niederlanden, wo Pensionsfonds wichtige Investoren sind, werden Kampagnen auch an diese gerichtet. Kampagnen gegen Investitionen haben vermutlich mehr Potential als bislang genutzt wird. Banken und Pensionsfonds zeigen sich überrascht von der öffentlichen Forderung nach ethischen Richtlinien, und in vielen Ländern sind sie jetzt dabei, solche ethischen Standards zu entwickeln. Es gibt Raum für Friedensorganisationen, diesen Prozess zu beeinflussen.

Der Minimalkonsens ist, dass es keine Investition geben soll in Massenvernichtungswaffen (d.h. Atomwaffen) und nicht in Waffen, die Zivilisten genauso wie Soldaten treffen (d.h. Landminen und Streumunition). Natürlich wäre es noch besser, wenn es überhaupt keine Investitionen in den kontroversen Rüstungssektor geben würde. Der Norwegische Pensionsfond hat einen hohen ethischen Investitionsstandard und lehnt jede Beteiligung an Rüstungsunternehmen ab. Andere Investoren z.B. in den Niederlanden und Belgien haben die Produktion von Landminen und Streumunition von ihren Portfolios gestrichen. Solche Investitionen sind in Belgien jetzt sogar verboten. Doch dieser Ausschluss von solche Waffen wird als eine Form des Weiß-Waschens benutzt (vielleicht sollte man eher von “Tarnfarben-Waschen” sprechen), um die Öffentlichkeit zufrieden zu stellen. Es gibt immer noch viel Investition in die Herstellung von Atomwaffen und in andere Rüstungsunternehmen. In anderen Ländern wie Spanien werden neue ethische Richtlinien von Santander und der BBVA Bank entwickelt, die auf dem Papier gut aussehen, aber nicht umgesetzt werden. Die Kampagnenarbeit geht weiter.

Boykott funktioniert

Es wird oft gesagt, dass Boykott von Rüstungsgütern nicht effizient sei. Es wird argumentiert, dass ein Land, wenn es keine Waffen kaufen kann, beginnen wird, diese selbst herzustellen. Doch Forschung über das best bekannte Beispiel eines langen und weit unterstützten Waffenboykotts, den gegen Südafrika in den Zeiten der Apartheid, zeigt, dass dies nicht wahr ist. Südafrika baute in der Tat eine eigene Rüstungsindustrie auf, aber nur unter großen finanziellen Lasten, die dazu beitrugen, dass das Regime zusammenbrach. Außerdem konnte Südafrika – trotz Lücken im Boykott – weder alles produzieren noch kaufen, was es haben wollte. Das begrenzte die militärische Beweglichkeit. Zum Beispiel war das Land so an einem bestimmten Moment gezwungen, mit Angola Verhandlungen aufzunehmen.

Im 21. Jahrhundert ist es für Länder noch schwieriger geworden, eine völlig unabhängige Rüstungsindustrie zu entwickeln. Nur Supermächte können alle fortschrittliche Ausrüstung selbst herstellen. Außerdem ist ein Rüstungsboykott ein sehr starkes politisches Signal an ein Land, dass eine militärische Lösung seines Sicherheitsproblems vom Rest der Welt nicht akzeptiert wird. Dies ist die Nachricht der derzeitigen Iniative für einen Rüstungsboykott gegen Israel.

Das spektakulärste Beispiel einer Aktion gegen die militärische Unterstützung Israels ist das der Raytheon 9, den neun Aktivisten aus Derry (Irland), die die Firma Raytheon aus ihrer Stadt vertrieben. Während der israelischen Invasion in den Libanon 2006 erfuhren die neun Männer, dass eine 28-köpfige libanesische Familie durch eine bunkerbrechende Bombe getötet wurde, die in ihrer Heimatstadt hergestellt worden war. Wützend besetzten sie die Raytheon Fabrik und trafen sie da, wo sie am verletzlichsten war: Sie beschädigten ihr Computernetzwerk und stoppten so ihr internationales Handelsnetzwerk. Das märchenhafte Ende dieser Geschichte ist, dass die neun Männer vor Gericht freigesprochen wurden, weil die Geschworenen anerkannten, dass sie gehandelt hatten, um ein größeres Verbrechen zu verhindern. Die Stärke der Raytheon 9 Kampagne war, dass sie starke Wurzeln in der Gemeinde hatte und bereits einige Jahre gegen die Waffenfabrik gearbeitet hatte. Andere Aktive waren weniger glückreich: Einige AktivistInnen der britischen “Zerschlagt EDO”-Kampagne wurden für lange Zeit inhaftiert, weil sie die EDO Waffenfabrik während der israelischen Operation Cast Lead besetzt hatten.

Der juristische Weg

Viel Kampagnenarbeit geht in die Verbesserung der Gesetzgebung zu Waffenexporten, aber die Ergebnisse zeigen ein gemischtes Bild. Die Europäische Union hat bei weitem die fortgeschrittensten ethischen Richtlinien für Waffenhandel (EU Common Criteria on Arms Export), die seit 1998 verwendet und 2009 gesetzlich bindend gemacht wurden. Sie schließen Begrenzungen für Waffenexporte ein, die 1. innere oder regionale Konflikte verschärfen, 2. nachhaltige ökonomische Entwicklung ernstlich beschädigen oder 3. für Menschenrechtsverletzungen benutzt werden könnten. Ein weiteres Kriterium, bei dem es um Korruption ging, wurde nicht aufgenommen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass in den letzten Jahren diese Kriterien Exporte an Länder wie Pakistan, Sri Lanka (knapp vor der letzten Offensive gegen die Tamil Tigers), Israel, Bangladesh und Saudi Arabien erlaubten. Die Formulierung der Kriterien ist absichtlich vage gehalten, so dass keine klaren rechtlichen Schlussfolgerungen aus ihnen gezogen werden können. Ihre Anwendung hängt von ökonomischen oder politischen Interessen ab. Sie setzen allein einen hohen ethischen Standard, welcher der politischen Interpretation unterliegt. In der Praxis können also kontroverse Deals nur gestoppt werden, wenn es viel öffentlichen Druck gibt.

Die Erfahrungen mit den EU Kriterien sind wichtig, weil der UN Arms Trade Treaty nach dem gleichen Raster entwickelt wird. Die Folgerung muss ein, dass die Erwartungen an diesen Vertrag nicht zu hoch sein sollten: Regierungen werden es als eine Entschuldigung benutzen. (“Worüber beschweren sich diese Peaceniks? Wir haben jetzt ein Waffenhandelsabkommen, also ist alles in Ordnung.”) Kontroverse Exporte werden immer noch zum Objekt von Kampagnen gemacht werden müssen, damit die Kriterien strikt angewendet werden.

Schlussfolgerung

Wie erfolgreich sind Aktionen gegen Waffenhandel? Wir sind nicht naiv. Wir glauben nicht, dass wir den Waffenhandel komplett stoppen können. Letztlich stoppen wir nur die aller offensichtlichsten schlechten Fälle, und selbst das nicht immer. Was wir tun können, ist Dinge offenzulegen, so dass sie nicht heimlich passieren und nicht ohne Diskussion. Dadurch spielen wir eine präventive Rolle. Wären wir nicht da, wäre das Problem wahrscheinlich noch viel schlimmer.

Wendela de Vries
Wendela de Vries ist Politikwissenschaftlerin und Mitgründerin der niederländischen Campagne tegen Wapenhandel